Heinrich Kaminski 

Heinrich Kaminski

Am 3. Juli 1886 wurde Heinrich Kaminski in Tiengen am Hochrhein geboren. Die aus Heidelberg stammende Mutter Mathilde Barro, war Opernsängerin. Vater Paul war zunächst katholischer Priester, hatte aber nach dem ersten Vatikanum (1869/70) seine polnische Heimat verlassen und war altkatholischer Pfarrer geworden.
In Bonn bekam Heinrich Kaminski einen Freiplatz im Internat der Altkatholiken und bestand 1905 die Reifeprüfung. Da er Theologie nicht studieren wollte und ein anderes Studium nicht zu finanzieren war, begann er eine Banklehre. 1906 ermöglichte ihm der Besitzer der heimischen „Lauffenmühle“ ein Studium der Nationalökonomie in Heidelberg.

Die frühen Jahre

1907 entdeckte die vermögende Hamburgerin Martha Warburg sein musikalisches Talent und förderte es. Kaminski machte bei Martha Elspermann (Klavier) und Phlipp Wolfrum (Therorie) bald solche Fortschritte, dass er 1909 zum Sternschen Konservatorium nach Berlin überwechseln konnte. Dort wurden Severin Eisenberger (Klavier), Willhelm Klatte (Therorie) und Paul Juon (Komposition) seine Lehrer.
1912 entstand der bis heute unvergessene „130.Psalm“ für Chor und Sopransolo. Auch ein Klarinetten- und ein Streichquartett aus der gleichen Zeit sind mehr als frühe Talentproben.
Nach kurzem Aufenthalt in München fand Kaminski im Frühjahr 1914 im oberbayerischen Ried (Benediktbeuern) nahezu ideale Arbeitsbedingungen. Hier vollendete er wenige Tage nach Kriegsausbruch den „69. Psalm“, den Bruno Walter 1919 in München uraufführte und der auf dem 51. Tonkünstlerfest 1921 in Nürnberg als das „langersehnte Meisterwerk“ bejubelt wurde.
1916 heiratete er Elfriede Jopp, eine Sängerin aus einem seiner Münchner Chöre. Im gleichen Jahr vollendete er das eindrucksvolle Streichquintett fis-Moll. Das Werk wurde nach seiner Uraufführung im März 1917 in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ als „Offenbarung eines Genies“ gefeiert.

Jahre der Meisterschaft

Franz von Hoeßlin, der Komponist Walter Braunfels, Maria Marc, die Witwe des Malers Franz Marc, sowie der Maler Emil Nolde unterstützten nach Kriegsende die größer werdende Familie. Maria Marc nahm sie in ihr Haus in Ried auf. Zudem fand Kaminski ab 1922 in Werner Reinhart, dem Winterthurer Großkaufmann, einen großzügigen Freund und Förderer.
Neben seiner kompositorischen Arbeit unterrichtete er in Ried eine Reihe von Schülern, von denen vor allem Erich Doflein, Carl Orff und Reinhard Schwarz-Schilling zu nennen sind.
Nach 1918 entstanden Werke, die dem damaligen Musikleben bald unentbehrlich wurden: “Introitus und Hymnus“, die Musik zu einem altfranzösischen Passionsspiel, das „Concerto grosso“ für Doppelorchester, das „Magnificat“ und die Motette „Der Mensch“.
Ein jahrelanges Ringen um die Erneuerung des Musiktheaters kam 1929 in der Vollendung des Dramas „Jürg Jenatsch“ zu einem ersten Ergebnis. Die Dresdner Uraufführung unter Fritz Busch fand jedoch ein geteiltes Echo. 1930 erhielt Kaminski eine Professur und wurde Leiter einer Meisterklasse an der „Preußischen Akademie der Künste“ in Berlin. Noch im gleichen Jahr erfolgte seine Berufung zum Städtischen Musikdirektor in Bielefeld.
In dieser Zeit entstanden die Motette „Die Erde“ sowie das „Triptychon“ für Alt und Orgel, das Streichquartett über den Namen A-B-E-G-G und die „Musik für zwei Violinen und Cembalo“. Anfang 1934 führte Hermann Scherchen die „Dorische Musik für Orchester“ in Winterthur auf. Schon bald wurde dieses Werk zu einem Höhepunkt zeitgenössischer Orchestermusik.
Der Berliner Lehrauftrag wurde 1933 nicht erneuert. Auch in Bielefeld suchten die neuen Machthaber das Musikleben „gleichzuschalten“. Kaminski verzichtete im September 1933 auf seine weitere Mitarbeit bei den Symphonie-Konzerten. Im Juni 1934 sah er sich auch gezwungen, die Leitung des Musikvereins niederzulegen. Unter dem Eindruck des Röhm-Putsches 1934 entstand das große Fragment einer „Messe Deutsch“ ein Zeugnis des inneren Widerstandes.
Die praktischen Erfahrungen in Bielefeld hatten positive Auswirkungen: Kaminski wurde sparsamer im Einsatz der kompositorischen Mittel. Das kam dem 1936 vollendeten „Orchesterwerk mit Klavier“ ebenso zugute wie dem orchestralen „Tanzdrama“ von 1942. 1937 wurde die Musik Kaminskis mit einem Aufführungsverbot für Deutschland belegt. Seine Werke wurden nur noch in der Schweiz aufgeführt.
Nach dem Umzug seiner Familie nach München wurde Kaminskis Leben noch rastloser. Er fand häufig Aufnahme im Tiroler Habichen bei Hélčne Prinzessin Croy und an verschiedenen Orten in der Schweiz.
Kurz nach Kriegsausbruch starb seine älteste Tochter Gabriele. Er versuchte diesen Schicksalsschlag zu überwinden, indem er das bewegende „In memoriam Gabrielae“ komponierte.

Emigration nach innen

Ende 1942 begann er mit den Arbeiten für das Musikdrama „Das Spiel vom König Aphelius“, dessen Abschluss durch eine ernste Erkrankung verzögert wurde. Seine Arbeit wurde mehr und mehr zu einem Wettlauf mit dem Tod.
Im März 1943 suchte und fand Alexander Schmorell, ein Mitglied der „Weißen Rose“, bei ihm Unterschlupf. Sein Sohn Donatus fiel 1943 im Kriege, seine Tochter Bettina starb 1944. In einer Ekstase des Schaffens vollendete er am 22.Mai 1946 sein letztes Werk „Das Spiel vom König Aphelius“.

Am 21. Juni 1946 starb Heinrich Kaminski in Ried.
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